Nervenreparatur mit Stammzellen: Neue Hoffnung bei schweren Plexus-brachialis-Verletzungen

Verletzungen des Plexus brachialis gehören zu den komplexesten und schwerwiegendsten Herausforderungen in der Neurologie und Chirurgie. In den schwersten Fällen, wenn alle Hauptäste betroffen sind – eine Situation, die als totale Plexus-brachialis-Läsion bezeichnet wird – können Schulter-, Arm- und Handfunktionen vollständig verloren gehen.
Die wissenschaftliche Forschung eröffnet heute jedoch neue, vielversprechende Perspektiven dank der Kombination aus Nervenchirurgie und fortschrittlichen zellbasierten Biotechnologien.

Eine aktuelle klinische Studie, veröffentlicht 2024 im European Journal of Orthopaedic Surgery & Traumatology, hat erstmals die Wirksamkeit einer lokalen Implantation von mesenchymalen Stammzellen aus Nabelschnurgewebe (UC-MSC) oder deren Sekretom in Kombination mit der Übertragung von Interkostalnerven auf den Medianusnerv untersucht. Dieses Verfahren wird bei späten Plexus-brachialis-Verletzungen (mehr als 6 Monate nach dem Trauma) eingesetzt, wenn neuromuskuläre Verbindungen bereits stark beeinträchtigt sind.

Die Studie: Vergleich zwischen Zellen und Molekülen

Insgesamt nahmen 15 Patienten teil, die in zwei Gruppen eingeteilt wurden:

  • die erste Gruppe erhielt eine lokale Injektion von UC-MSC aus Nabelschnurgewebe;

  • die zweite Gruppe erhielt das Sekretom, also die von UC-MSC in Kultur freigesetzten Moleküle, jedoch ohne lebende Zellen.

Beide Behandlungen wurden direkt an der Verbindungsstelle zwischen Medianusnerv und Musculus flexor digitorum superficialis (NMJ) während der Übertragung der Interkostalnerven verabreicht.

Ergebnisse: Klinische, aber keine histologischen Verbesserungen

Acht Monate nach dem Eingriff wurden die Patienten mit folgenden Methoden erneut untersucht:

  • Lebensqualitätsfragebögen (SF-36),

  • DASH-Skala (Disabilities of the Arm, Shoulder and Hand),

  • Muskelkrafttests,

  • Biopsien zur histologischen Analyse.

Die wichtigsten Ergebnisse:

  • beide Gruppen zeigten deutliche Verbesserungen bei Lebensqualität, Schmerzempfinden, emotionalem Wohlbefinden sowie bei körperlichen und sozialen Funktionen;

  • die UC-MSC-Gruppe berichtete über eine stärkere Wahrnehmung einer „Gesundheitsveränderung“ im Vergleich zur Sekretom-Gruppe;

  • histologische Analysen ergaben jedoch keine signifikanten Unterschiede in Bezug auf Entzündung, Regeneration oder Fibrose, weder innerhalb der Gruppen noch zwischen ihnen.

Was bedeutet das?

Stammzellen – oder ihre molekularen Derivate – scheinen die klinische Erholung und die Lebensqualität zu verbessern, wahrscheinlich durch parakrine Effekte: Freisetzung von Molekülen, die Entzündungen reduzieren, das lokale Umfeld modulieren und die Kommunikation zwischen Nerven und Muskeln fördern.
Um jedoch eine echte strukturelle Regeneration von Nerven- und Muskelgewebe zu erreichen, könnten zusätzliche kombinierte Ansätze erforderlich sein, wie z. B. Biomaterialien, elektrische Stimulation oder kombinierte Therapien.

Eine neue Grenze der regenerativen Medizin

Die Studie zeigt, dass zellbasierte Biotechnologien die Chirurgie nicht ersetzen, sondern ihre Wirkung verstärken und den Genesungsprozess der Patienten verbessern können. Selbst bei chronischen Nervenverletzungen können Nabelschnurstammzellen – wenn sie sicher aufbewahrt werden – wertvolle Werkzeuge für die Gewebereparatur darstellen und den Weg in eine neue Ära der regenerativen Medizin ebnen.

Quelle: Widodo W. et al. Functional outcome and histologic analysis of late onset total type brachial plexus injury treated with intercostal nerve transfer to median nerve with local umbilical cord-derived mesenchymal stem cells or secretome injection: a double-blinded, randomized control study. Eur J Orthop Surg Traumatol. 2024 Dec;34(8):4073-4082. PMID: 39382636, PMCID: PMC11519161

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